Discos? Geschlossen. Bars? Ebenso. Mannschaftssport? Ab 16 Jahren nicht mehr möglich. Die neuen Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus reduzieren auch den sozialen Aktionsradius der Jugendlichen. Während des Lockdown im Frühling kam die Schulschliessung dazu. Wie wirkt sich das auf die Psyche der Jugendlichen aus? Täglich Einblick in deren Seelenleben hat Pro Juventute. Die Stiftung hat ihre Beratertätigkeit von März bis August 2020 mit der Vorjahresperiode verglichen.
Das Fazit: Die Coronakrise hat den Beraterinnen und Beratern massiv Mehrarbeit beschert. Vor allem via Chat (plus 172 Prozent) nahmen die Anfragen zu. Pro Tag gelangen derzeit rund 600 Jugendliche an das Beratungsangebot «147», und zwar mittels Telefon, Chat, E-Mail, SMS und die Ratgeberplattform147.ch. Die meisten Ratsuchenden sind zwischen 15- bis 19-jährig.
Das weitgehend weggeblasene Sozialleben während des Lockdown beschäftigte die Jugendlichen besonders stark. So schnellten die Anfragen zum Thema «Freunde verlieren» (plus 153 Prozent), «Freunde finden» (plus 81 Prozent oder «Selbstwert» (plus 70 Prozent» in die Höhe. «Die Jugendlichen schöpfen ihr Selbstvertrauen sehr stark aus dem Austausch mit Freunden», erklärt Thomas Brunner von Pro Juventute.
Es sei ein Trugschluss zu glauben, das digitale Beziehungsnetz vermöge den physischen Kontakt zu kompensieren, ergänzt der Sozialpädagoge. «Bricht der gemeinsame Alltag weg, passiert auch in den sozialen Medien weniger.» Also etwa weniger «Gefällt mir»-Klicks nach geposteten Fotos, weniger Bestätigung.
Auch die Beratungen wegen Unverstandenheit (plus 41 Prozent) oder Konflikten mit den Eltern (plus 47 Prozent) nahmen zu. Oft bekamen die Beratenden von Pro Juventute zu hören: «Niemand versteht mich.» Manche Teenager klagten, die Eltern würden ihnen aus epidemiologischen Gründen Treffen mit Freunden verbieten. «Die Einschränkungen des Soziallebens treffen Jugendliche besonders hart», sagt Brunner.
«Wenn man sich nicht umarmen, nicht zusammen Sport treiben, sich nicht spontan im Freien treffen und nicht in die Disco darf, ist dies für einen Jugendlichen eine ganz andere Einschränkung als für den 40-jährigen Familienvater mit gefestigter Identität.» Solche Unterschiede dürfe man nicht bagatellisieren. Jugendliche zog es während der Lockerungsphase an Discos und an Partys. Brunner findet es unfair, ihnen mangelndes Verantwortungsgefühl vorzuwerfen. «Wir müssen akzeptieren, dass sie an einem anderen Punkt in ihrem Leben stehen.» Schweiz am Wochenende
"Einsamkeit ist ansteckend"
Wegen der Virus-Pandemie dürfen weltweit Millionen Menschen ihre Häuser nicht verlassen. Welche Folgen die Einsamkeit für die Psyche haben kann, erklärt der Psychiater Manfred Spitzer im DW-Interview. 2.12.2020 (Deutsche Welle)
Deutsche Welle: Viele Länder verschärfen ihre Maßnahmen bis hin zu Ausgangssperren, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen. Wie beeinflusst die Selbstisolation oder das sogenannte Social Distancing unsere psychische Gesundheit?
Prof. Dr. Manfred Spitzer: Man muss die einzelnen Maßnahmen differenziert betrachten. Zunächst einmal wissen wir dass die Quarantäne - die ultimative Form des Eingesperrtseins - tatsächlich zu psychischen Störungen führen kann, auch bei ganz normalen Menschen.
Es gibt längerfristige Untersuchungen dazu, die gezeigt haben, dass nach einer Quarantäne die Häufigkeit von Störungen wie Angststörung, Schlafstörung oder sogar eine posttraumatische Belastungsstörung höher ist. Es gibt da keinen Unterschied zwischen älteren und jüngeren oder Männern und Frauen. Alle können darunter leiden. Weswegen die Empfehlung für solche Maßnahmen gilt, sie nur dann durchzuführen, wenn sie unbedingt notwendig sind.
Sie sprachen von Social Distancing. Es gab eine Reihe von wissenschaftlichen Studien dazu, wie in verschiedenen Gegenden der Welt, vor allem aber in China, der Ausbreitung des neuen Coronavirus begegnet wurde. Und da konnte man nachweisen, dass zum Beispiel so etwas wie Reisebeschränkungen nicht so viel bringt, aber die soziale Distanz tatsächlich die Ausbreitung des Virus deutlich beeinflussen kann.
Social Distancing sind eigentlich nicht ganz die richtigen Worte. Es sollte Physical Distancing heißen - also körperliche Distanz.
DW-Interview. 2.12.2020 (Deutsche Welle)
Das Fazit: Die Coronakrise hat den Beraterinnen und Beratern massiv Mehrarbeit beschert. Vor allem via Chat (plus 172 Prozent) nahmen die Anfragen zu. Pro Tag gelangen derzeit rund 600 Jugendliche an das Beratungsangebot «147», und zwar mittels Telefon, Chat, E-Mail, SMS und die Ratgeberplattform147.ch. Die meisten Ratsuchenden sind zwischen 15- bis 19-jährig.
Das weitgehend weggeblasene Sozialleben während des Lockdown beschäftigte die Jugendlichen besonders stark. So schnellten die Anfragen zum Thema «Freunde verlieren» (plus 153 Prozent), «Freunde finden» (plus 81 Prozent oder «Selbstwert» (plus 70 Prozent» in die Höhe. «Die Jugendlichen schöpfen ihr Selbstvertrauen sehr stark aus dem Austausch mit Freunden», erklärt Thomas Brunner von Pro Juventute.
Es sei ein Trugschluss zu glauben, das digitale Beziehungsnetz vermöge den physischen Kontakt zu kompensieren, ergänzt der Sozialpädagoge. «Bricht der gemeinsame Alltag weg, passiert auch in den sozialen Medien weniger.» Also etwa weniger «Gefällt mir»-Klicks nach geposteten Fotos, weniger Bestätigung.
Auch die Beratungen wegen Unverstandenheit (plus 41 Prozent) oder Konflikten mit den Eltern (plus 47 Prozent) nahmen zu. Oft bekamen die Beratenden von Pro Juventute zu hören: «Niemand versteht mich.» Manche Teenager klagten, die Eltern würden ihnen aus epidemiologischen Gründen Treffen mit Freunden verbieten. «Die Einschränkungen des Soziallebens treffen Jugendliche besonders hart», sagt Brunner.
«Wenn man sich nicht umarmen, nicht zusammen Sport treiben, sich nicht spontan im Freien treffen und nicht in die Disco darf, ist dies für einen Jugendlichen eine ganz andere Einschränkung als für den 40-jährigen Familienvater mit gefestigter Identität.» Solche Unterschiede dürfe man nicht bagatellisieren. Jugendliche zog es während der Lockerungsphase an Discos und an Partys. Brunner findet es unfair, ihnen mangelndes Verantwortungsgefühl vorzuwerfen. «Wir müssen akzeptieren, dass sie an einem anderen Punkt in ihrem Leben stehen.» Schweiz am Wochenende
"Einsamkeit ist ansteckend"
Wegen der Virus-Pandemie dürfen weltweit Millionen Menschen ihre Häuser nicht verlassen. Welche Folgen die Einsamkeit für die Psyche haben kann, erklärt der Psychiater Manfred Spitzer im DW-Interview. 2.12.2020 (Deutsche Welle)
Deutsche Welle: Viele Länder verschärfen ihre Maßnahmen bis hin zu Ausgangssperren, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen. Wie beeinflusst die Selbstisolation oder das sogenannte Social Distancing unsere psychische Gesundheit?
Prof. Dr. Manfred Spitzer: Man muss die einzelnen Maßnahmen differenziert betrachten. Zunächst einmal wissen wir dass die Quarantäne - die ultimative Form des Eingesperrtseins - tatsächlich zu psychischen Störungen führen kann, auch bei ganz normalen Menschen.
Es gibt längerfristige Untersuchungen dazu, die gezeigt haben, dass nach einer Quarantäne die Häufigkeit von Störungen wie Angststörung, Schlafstörung oder sogar eine posttraumatische Belastungsstörung höher ist. Es gibt da keinen Unterschied zwischen älteren und jüngeren oder Männern und Frauen. Alle können darunter leiden. Weswegen die Empfehlung für solche Maßnahmen gilt, sie nur dann durchzuführen, wenn sie unbedingt notwendig sind.
Sie sprachen von Social Distancing. Es gab eine Reihe von wissenschaftlichen Studien dazu, wie in verschiedenen Gegenden der Welt, vor allem aber in China, der Ausbreitung des neuen Coronavirus begegnet wurde. Und da konnte man nachweisen, dass zum Beispiel so etwas wie Reisebeschränkungen nicht so viel bringt, aber die soziale Distanz tatsächlich die Ausbreitung des Virus deutlich beeinflussen kann.
Social Distancing sind eigentlich nicht ganz die richtigen Worte. Es sollte Physical Distancing heißen - also körperliche Distanz.
DW-Interview. 2.12.2020 (Deutsche Welle)